Selbstverteidigung ist Kopfsache

KRAV MAGA BLOG

Selbstverteidigung ist Kopfsache

Was Du tun kannst um Deine Angst zu bekämpfen

KRAV MAGA für Solingen, Haan, Hilden, Langenfeld und Umgebung

Vor einigen Tagen habe ich ein Zitat von Jean-Paul Sartre gelesen, das vieles auf den Punkt bringt.

"Die Gewalt lebt davon, dass sie von anständigen Leuten nicht für möglich gehalten wird."

 

Doch in jeder Gesellschaft gibt es Gewalt. Weder unser soziales Umfeld, Gesetze oder die Polizei können uns davor schützen. Dennoch höre ich immer wieder Sätze wie „das kann mir doch nicht passieren“ und ähnliches. Jedem von uns sollte jedoch bewusst sein, dass es keine 100%ige Sicherheit gibt; Gewalt kann uns immer und überall treffen.

 

Dabei sind die Arten von Gewalt und die Motive sehr vielfältig – darauf möchte ich aber in einem anderen Beitrag genauer eingehen.

Jetzt geht es erst mal darum, was wir tun können um trotz unserer Angst handlungsfähig zu bleiben.

 

Das wichtigste ist es zu akzeptieren, dass wir Angst haben. Jeder Mensch hat Angst!

Ob es der Soldat ist, der in ein Feuergefecht gerät, der Polizist der mit einer Gruppe gewaltbereiter Leute zu tun hat oder der Feuerwehrmann, der in einer verrauchten Wohnung, ohne Sicht, nach einem vermissten Kind suchen muss.

 

Ich habe bewusst diese Berufsgruppen ausgewählt, weil diese sich regelmäßig einer Gefahr aussetzen müssen und gelernt haben trotz der Angst handlungsfähig zu bleiben. Es sind aber letztlich genauso Menschen wie Du und ich.

 

Angst ist ein angeborenes und gewolltes Gefühl, dass uns beim Überleben helfen soll. Wer Angst hat ist also noch lange nicht feige. Dazu kommt, dass Angst durch unsere Erziehung verstärkt werden kann. Die Mutter die Angst vor Hunden hat, wird ihr Kind vielleicht von Hunden wegziehen und ihre Angst übertragen. Es ist wahrscheinlich, dass das Kind irgendwann auch Angst vor Hunden hat, obwohl es selbst nie eine negative Erfahrung gemacht hat.

 

Die Angst findet also nur in unserem Kopf statt.

Wenn unser Kopf (genaugenommen unser Gehirn) nun Maßnahmen für den Überlebenskampf einleitet, hat dies direkte Auswirkungen auf den Körper, die jeder kennen sollte.

 

Innerhalb von wenigen Sekunden werden verschiedene Stresshormone, z.B. Adrenalin ausgeschüttet. Dies führt u.a. zu einer Erhöhung des Blutdrucks, einer beschleunigten Atmung, einer gesteigerten Herzfrequenz und der Freisetzung von Glucose. Dieser Energieschub ist für das nun folgende Muskelzittern verantwortlich. Ich betrachte das gerne so, wie das Starten eines großen Motors, der sich erst ein wenig schüttelt, dann durchstartet und seine ganze Kraft entfaltet.

 

Nicht benötigte Prozesse werden heruntergefahren und jeglicher Ballast abgeworfen.

In dieser Phase ist niemand mehr in der Lage über Raketenwissenschaften zu philosophieren, d.h. die Kommunikationsfähigkeit wird auf ein Minimum heruntergefahren; gleiches gilt für das rationale Denken. Es kann auch dazu kommen, dass man sich in die Hose macht, weil der Körper unnötigen Ballast abwerfen möchte. Das sind alles ganz natürliche Reaktionen und haben nichts mit Feigheit zu tun. Auch mit einer „vollen Hose“ kann man fliehen oder kämpfen! Vielleicht nach dem Motto: "Jetzt erst recht!"

 

Ziel bei dem ganzen ist es die Reaktionsfähigkeit, Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Schmerztoleranz zu steigern.

 

Wer die Auswirkungen und die körperlichen Reaktionen (nach der Adrenalinausschüttung) nicht kennt, wird vermutlich so erschrocken sein, dass er oder sie zu keiner vernünftige Handlung mehr fähig ist und einfach erstarrt.

 

Hier noch mal die Symptome die auftreten können (ohne Garantie auf Vollständigkeit):

 

  • beschleunigte Atmung
  • gesteigerte Herzfrequenz
  • Muskelzittern
  • Zähneklappern
  • weiche Knie
  • zitternde Stimme
  • eingeschränktes Denken
  • Tunnelblick
  • Schwitzen
  • Hitze-/Kältewellen
  • in die Hose machen
  • fahle Haut
  • fehlendes Zeitgefühl
  • weit geöffnete Augen

 

Uns sollte immer bewusst sein, dass der Körper uns helfen will und enorme Mengen an Energie bereitstellt. Wir sind damit bestens für Flucht oder Kampf vorbereitet – stellt euch einfach vor, wie der starke Motor startet…!

 

Wichtig ist es deshalb sich dem Stress und der Angst (vorher) kontrolliert auszusetzen. Je besser wir unsere eigenen Reaktionen kennen, desto weniger werde wir davon überrascht sein.

 

Eine weitere ganz normale Körperreaktion ist das Erstarren, wenn man von einer Situation überrascht wird.

 

Stell Dir vor, einer Deiner Vorvorvorvorfahren ist draußen unterwegs und sieht in einiger Entfernung plötzlich einen Säbelzahntiger. Das beste was Dein Vorfahre nun tun kann ist zu erstarren und sich absolut ruhig zu verhalten. Jetzt kann er die Situation einschätzen und sich eine weitere (Überlebens-)Strategie überlegen. Er kann jetzt flüchten (z.B. leise davonschleichen) oder falls der Säbelzahntiger ihn entdeckt hat entsprechend kämpfen.

 

Diese Überlebensstrategien (Erstarren, Flucht, Kampf) sind tief in unserem Unterbewusstsein verankert.

Wichtig ist es, aus der Starre schnell wieder raus zu kommen, um ein weiteres Handeln möglich zu machen.  

 

Doch wie machen ich das? Wie kann ich trotz meiner Angst handlungsfähig bleiben?

 

Ein wichtiger Punkt ist hierbei unsere Atmung.

Durch langsames und kontrolliertes Atmen (z.B. tief ein- und ausatmen und dabei jeweils bis 5 Zählen) werden wir unsere Angst im Griff behalten können und es besteht weniger die Gefahr in einer Starre hängen zu bleiben.

 

Sollten wir jedoch plötzlich und unerwartet angegriffen werden, haben wir nicht die Zeit für „Atemübungen“. Hier kann uns zum einen unsere eigene Stimme helfen, zum anderen aber auch unsere persönliche „Wut-Programmierung“ (dazu gleich mehr).

 

Wir können uns in Rage reden und z.B. dem Täter Befehle geben. Dies führt dazu, dass wir unsere Angst wegdrücken und „besser“ atmen. Sobald wir uns im Kampf befinden, wird die Angst (und durch die Bewegung auch das Adrenalin) abnehmen und unser Stresslevel sinken.

Wenn wir Angst haben, müssen wir aktiv werden – wir müssen uns bewegen, reden und negative Gedanken (wie: ich habe ja eh keine Chance) wegschieben.

 

Eine weiter Methode die Angst in den Griff zu bekommen ist die persönliche „Wut-Programmierung“. Hierbei geht es darum sich bereits im Vorfeld eine Situation vorzustellen, die in Dir eine unbändige Wut auslöst. Zu diesem Gefühl setzt Du nun noch Deinen persönlichen „Trigger“ (z.B. mit einem Bein aufstampfen, eine bestimmte Körperhaltung einnehmen, etc.).

 

Ziel ist es, gewissermaßen auf „Knopfdruck“, wütend zu werden, da (unbändige)Wut die Angst wegdrückt. Im Krav Maga sprechen wir davon „on“ zu gehen. Es ist aber auch wichtig zu lernen wieder „off“ zu gehen, damit man aus diesem Zustand auch wieder rauskommt.

„On“ und „Off“ zu gehen bedarf einiger Übung und muss im Vorfeld ausgiebig trainiert werden.

 

Entscheidende Punkte die Angst zu überwinden bzw. nicht in eine Starre zu fallen sind Einstellung, Erfahrung und Vorbereitung.

 

Was ist mit Einstellung gemeint?

 

Wir dürfen uns selbst niemals als Opfer sehen! Täter suchen Opfer, keine Gegner.

Sei (und verhalte Dich wie) ein Gegner und der Täter wird überrascht sein.

Entscheide Dich dafür ein Kämpfer zu sein!

 

Und wie kann mir Erfahrung helfen?

 

Wer Erfahrung mit bestimmten Situationen hat wird nicht so schnell aus dem Konzept gebracht.

Wenn Du es z.B. kennst im Training Schläge und Tritte abzubekommen und weißt, dass Du trotzdem weiterkämpfen kannst, wird Dich ein Schlag in einer realen Auseinandersetzung nicht mehr so schockieren. Wenn du im Training verschiedenste Angriffssituationen trainiert und dafür (standardisierte) Abläufe hast, wirst Du nicht überrascht sein, sondern kennst die Situationen bereits.

 

Standardisierte Abläufe (Standard Operating Procedures) werden für „bestimmte“ Arten von Angriffen trainiert, da der Ablauf durch häufiges Üben irgendwann in Fleisch und Blut übergeht. Diese Standards geben Sicherheit und ermöglichen es auch auf Situationen flexibel zu reagieren – schließlich ist jeder Angriff etwas anders, folgt aber auch einem einheitlichen Grundschema.

 

Und wie kann ich mich nun auf so eine Situation vorbereiten?

 

Zunächst muss ich sagen, dass jeder Mensch anders reagiert und niemand mit Gewissheit sagen kann, wie er sich verhält, bevor er nicht in der Situation war. Das Wissen und das Training dienen hier immer nur als Hilfe, um eine Situation möglichst gut zu meistern.

 

Du kannst Dich auf verschiedene Situationen vorbereiten, indem Du sie in Deinem Kopf durchspielst; einfach als Gedankenspiel. Was würdest Du tun, wenn Dich mitten in der Stadt plötzlich jemand von hinten packt oder Dir an Deinem Auto auflauert…

Gedankenspiele in dieser Art meine ich. Diese können natürlich auch in Trainings umgesetzt werden, sodass die Situationen auch tatsächlich passieren.

  

Ein weiterer Punkt der Vorbereitung ist das Thema Aufmerksamkeit.

Dazu hat Jeff Cooper zur Veranschaulichung einen Farbcode entwickelt, den wir ebenfalls benutzen.

Wichtig ist es hier zur richtigen Zeit im richtigen „Aufmerksamkeitsstatus“ zu sein, damit wir nicht von einer Situation überrascht werden.

 

Code WEIß – unaufmerksam, unvorbereitet

 

Das ist beispielsweise der Zustand, wenn man zuhause ist und ein Buch liest oder schläft.

Da wir unsere Umgebung nicht wahrnehmen, sollten wir uns nur in „weiß“ befinden, wenn wir in einem geschützten Umfeld (eigene Wohnung, etc.) sind.

 

Code GELB – entspannt alarmiert

 

Sobald wir den „geschützten“ Bereich verlassen, müssen wir in „gelb“ sein. Es besteht zwar keine direkte Gefahr, wir müssen jedoch unsere Umgebung beobachten um vorbereitet zu sein. Der persönliche Zustand ist dabei entspannt und vorausschauend. Sinnvoll ist es hier von Zeit zu Zeit einen Blick in die Umgebung zu werfen um „Unnatürlichkeiten“ oder Gefahren sofort festzustellen.

 

Code ORANGE – spezifisch alarmiert

 

Sollten wir jetzt eine (potenzielle) Gefahr wahrnehmen, bereiten wir uns auf diese direkt vor. Es ist möglich, dass eine Gewalttat unmittelbar bevorsteht bzw. unser Eingreifen erforderlich ist. Jetzt brauchen wir einen Plan, wie wir die Situation erfolgreich lösen können, falls es zu einem Angriff kommt. Auch müssen wir uns jetzt mental darauf einstellen, dass es gleich los geht.

 

Code ROT – Kampf oder Flucht

 

Die potenzielle Gefahr ist zu einer realen Gefahr geworden und wir müssen sofort handeln. Jetzt müssen wir den Plan umsetzen, den wir uns zurechtgelegt haben. Wir müssen entschlossen handeln; die Initiative muss von uns ausgehen!

 

Der Farbcode hilft uns im richtigen Moment in der richtigen Aufmerksamkeitsstufe zu sein. Eine Gefahr frühzeitig zu erkennen gibt uns die Chance damit richtig umzugehen und uns entsprechend darauf vorzubereiten.   

 

Abschließend möchte ich Euch noch ein paar „Regeln“ mit an die Hand geben, die Euch helfen können.

 

  • Sei aufmerksam
  • Erkenne und vermeide Gefahren
  • Stelle kein Opfer dar
  • Handle deeskalierend
  • Ziehe Grenzen
  • Sei kampfbereit, wenn die vorherigen Punkte nicht funktioniert haben
  • Musst Du kämpfen, handle entschlossen – kämpfe um Dein Leben!

 

Es gibt noch unzähliges, was man zu diesem Thema schreiben kann. Sicher habe ich auch das ein oder andere nicht erwähnt oder auch nur kurz angeschnitten, da es für diesen Blog einfach zu viel ist. Bitte verzeiht mir das. Ich werde jedoch in der nächsten Zeit den Blog immer weiter mit interessanten Themen füllen und freue mich auch auf Vorschläge von Euch!


Bitte bleibt gesund und passt auf Euch auf!

 

ALWAYS BE READY!


Euer Dirk